Tiere
sind
mehr als nett oder exotisch. Wir fangen an zu begreifen, was sie für
uns sind: Lebender Beweis für die Gültigkeit einer liebenden
Schöpfung. Wir entdecken, wieviel Kraft die „wandelnden Seelen" uns
schenken. Durch sie lernen wir das Elementare in uns selbst anzunehmen.
Knatterlaute
von sich gebend und mit wiegendem Schritt umtanzt Enno sein Weibchen, das
ziemlich unbeeindruckt am Salat knabbert, während die Jungen im Stroh
herumwieseln. Die Meerschweinchenfamile erntet geteilte Reaktion. Sind
die einen hin und weg von den lebhaften Fellbündeln, gucken andere
irritiert: Das ist doch für Kinder!
Dabei
ist die Beziehung zwischen Mensch und Tier für unsere Entwicklung
bedeutsam. Ob in heimischen Wäldern, im Zoo, als Archetyp in unseren
Träumen, als Symbol oder Totem sprechen die Tiere zu uns.
In
allen Kulturen und Traditionen spielen sie eine wesentliche Rolle. Auch
das Christentum sieht z.B. im Fisch das allumfassende Wissen, in
der Taube Friede und Erleuchtung. Manchmal findet man, als Symbol
für die selbstlose Liebe Christi, die Darstellung eines Pelikans,
der den Jungen seine Leber zum Fraß gibt, damit sie überleben.
Ganesh, ein Sohn Shivas, sorgt im Hinduismus für Glück und Wohlstand,
während Affengeneral Hanuman der Legende nach Sita aus den Fängen
des Dämonenkönigs befreite und von Lanka zu Rama zurückbrachte.
Tiere
symbolisieren Stärken: Mut, Weisheit, Geschwindigkeit, List. Die Eule,
z.B. begleitete Athene - heute noch sprichwörtlich für Weisheit.
Die Münchner Löwen, der Tiger Dariusz Michailzewski, die Eisbären
Berlin:Tierische Beinamen haben im Sport Konjunktur wie früher in
der Heraldik, als Schwan oder Löwe, Pfau und Eber vornehme Wappen
schmückten. Nicht nur Symbolkraft wird dem Tier zugeschrieben. Schamanische
Kulturen ehren es als Teil des göttlichen Wissens. Ayahuasca- Zeremonien
im Dschungel Brasiliens führen in die Welt der Anaconda - Erdgöttin.
Vermischt mit christlichen Elementen feiert im Santo Daime- Kult diese
Begegnung eine Renaissance. In allen schamanischen Kulturen beschwören
magische Rituale den Geist der Tiere.Totems kennzeichnen die Stammesidentität,
fungieren als Namenspatron. Ein Clan versammelte sich im Namen „seines"
Tieres. Das gejagte Mammut oder der Büffel halfen dem Menschen zu
überleben, deshalb waren sie heilig und die Jagd ein Akt der Achtung
und Demut. Die Höhlenzeichnungen von Lascaux und Altamira bezeugen
dies eindrucksvoll. Jäger und Beute vereinigten sich. Indem der Jäger
das Blut des Tieres trank, nahm er dessen Kräfte auf.
Das
gegenwärtige Interessse an indianischer Kultur brachte uns nicht nur
im Medizinrad das Indianerhoroskop(„unsere" Sternzeichen werden mit zwölf
Totems, die in den Elementen zugeordneten Artenclanen untergeordnet sind,
besetzt), sondern auch den reichen heilenden Wissensschatz um die Krafttiere.
Die Suche nach dem eigenen Krafttier ist Eintrittsübung in die geistige
Welt des Schamanen. In Trance geht er einen Weg, wird während der
Wanderschaft seinem Tier begegnen. Er lernt es kennen und sich ihm anzuvertrauen.
Ab da ist das Tier ein Gehilfe in allen spirituellen Belangen. Es ist ein
geistiges Wesen, ein Aspekt des komplexen Selbst. Figürliche Abbildungen
unterstützen seine Präsenz im Alltag. Das Krafttier finden, heißt
die selbstheilenden Kräfte erkennen.
Paradoxer
Weise benutzen wir Menschen, wenn wir jemanden karikieren möchten,
tierische Vergleiche. Das Tier - der intensivere, sinnlichere Mensch? Jeder
von uns kennt die 3 Affen, die dumme Sau, den geilen Bock, die blöde
Kuh, den Salonlöwen, die falsche Schlange. Wer feig ist, ist hündisch,
manche haben eine Meise, mein Schwein pfeift, du kriegst die Motten oder
hast Gott sei dank Schwein gehabt. Der Lackaffe glotzt schon mal wie ein
begossener Pudel und das Rhinozeros macht in der Elefantenrunde keine
gute Figur. Einzig, wer das Gemüt einer Schildkröte hat oder
blöder ist als eine Horde Affen windet sich aalglatt aus der Frage:
Was ist nicht tierisch an uns und was projezieren wir auf das Tier?
Als
Embryo durchlaufen wir die evolutionären Stadien des Tierreichs. Vielleicht
erklärt das diese Sehnsucht nach dem „Tier in uns$, einem ungebrochenem
Naturzustand. Dabei sind wir doch so stolz auf unseren Verstand. „Den Zustand
unseres inneren Tieres werden wir vielleicht nicht wahrhaben wollen, weil
er schmerzt..So müssen wir erst das Tier in uns gesundpflegen".(H.
Commonwood) Dann gelangen wir zum tierischen Zustand ruhiger Wachheit.
Laut Friedrich Nietzsche ist der Mensch „ein nicht festgestelltes
Tier", ein Mängelwesen, das sich dank seiner Gabe zu reflektieren,
Entscheidungen zu fällen, zu erfinden, durchsetzt. Menschliche Ordnungen
erwachsen aus geschichtlichen Motiven, ökonomischem Bedarf, religiösen,
ethnischen Vorlieben und Traditionen. Tiere sind absolut non political
correct. Der Bock hat seinen Harem, die Spinne frißt ihr Männchen.
Da sie ohne Strategie, ohne Ethik leben, sind sie weder gut noch böse.
Und gegen den Menschen wehrlos.
Wer
sich in Meditation übt, weiß, welch herausragende Rolle die
Konzentration, die innere Leere und die Direktheit jeder Handlung spielen.Tiere
meditieren nicht, doch beim kleinsten Laut, spitzt das schlafende Mäuschen
die Ohren und huscht davon. Diese Wachheit, frei von behindernden Selbstbildern
und Rollenkonflikten, ist, was wir im Alltag und im Spirituellem erstreben.
Die
Freude, die ein gesunder glücklicher Freund aus der Tierwelt verbreitet,
hat veranlaßt, daß sogar in vielen Altenheimen die Tierhaltung
erwünscht ist. Denn das Leben mit Tieren heitert auf- und unser Leben
ist nicht „tierisch ernst"!
Etwas
Reines, das sich voll Vertrauen in eine noch unbekannte Welt streckt, strahlen
Tierkinder aus. In ihnen spiegelt sich ein Teil unserer eigenen Seele,
der in direktem Kontakt mit der universellen Liebe steht, die allen Geschöpfen
zuteil wird und die uns leben läßt. Wir wollen diesen Teil beschützen
und wissen um seine Verletzlichkeit. Das Tier ist dem Menschen ausgeliefert.
Wir aber haben die Möglichkeit, ihm zu danken, es zu ehren, von ihm
zu lernen, selbst wieder ganz und mit der Natur eins zu werden.
Petra Gemeinhardt
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