Die indische Götterwelt

Es gibt drei Ursprungs-Gottheiten, von denen all die vielen anderen Götter abstammen, und die zusammen eine Einheit bilden. Hier findet man eine erstaunliche Parallele zur christlichen Religion, in der es eine heilige Dreifaltigkeit gibt. Die Bedeutung derselben ist jedoch anscheinend im Laufe der Zeit vergessen worden.
Der Schöpfergott heißt in Indien "Brahma", und wird üblicherweise mit vier Gesichtern, die in jede Himmelsrichtung blicken, dargestellt. Er unterscheidet sich von unserer Vorstellung des Schöpfers nur dadurch, daß er keine Rücksicht nimmt, ob seine Schöpfungen gut oder schlecht sind. Sein Auftrag ist nur die Schöpfung alleine, und er schöpft immer, auch jetzt noch. So steht er für die Kreativität im allgemeinsten und im kosmologischen Sinn.
 
Sein Gegenstück ist Gott "Shiva", der Zerstörer. Das Alte und das Schlechte muß weg, wenn etwas Neues entstehen soll. Das ist sein Auftrag. Seine geistige Komponente ist die Zerstörung der Illusion, also die Reinigung und auch die Askese. So steht er für Erleuchtung und Intelligenz, und sein Gegenstück in der hl. Dreifaltigkeit ist der heilige Geist.
 
Der dritte Gott heißt "Vishnu". Er steht für die erhaltende Kraft, welche die Schöpfung und die Zerstörung im Gleichgewicht hält, und verkörpert so das reine Bewußtsein. Die vedischen Schriften sprechen davon, daß Vishnu sich in jedem Zeitalter wiederverkörpert, um dem Menschen wieder den rechten Weg zu weisen. Die bekanntesten Inkarnationen Vishnu's sind die Götter Rama, Krischna und Buddha. Tatsächlich werden im heutigen Indien auch Jesus und Mohammed als Inkarnationen Vishnu's verstanden.
 
Nun sehe ich in dieser Sache weniger Glaubensinhalt als vielmehr ein kosmologisches Erklärungsmodell. So wie der Raum drei Dimensionen hat, so hat auch die Zeit ihre drei Dimensionen (Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit). Auch das Raum-Zeitkontinuum zeigt wieder drei Dimensionen und die wären: eine schaffende Kraft, eine vernichtende Kraft, und eine erhaltende, ausgleichende Kraft. Diese Kräfte halten das Universum zusammen und werden bestimmt durch die nichtmateriellen Eigenschaften Kreativität, Intelligenz und Bewußtsein.
 
Dieses auf der Dreiheit begründete System zieht sich nun durch alle Bereiche des indischen Lebens. Das Prinzip des Ajur-Veda beruht auf den 3 Konstitutionen, Doshas genannt.  Man spricht von den drei Erscheinungsweisen der Natur, den Gunas. Diese waren auch die Grundlage zur Erfindung des indischen Kastensystems. Nach dem Yoga-System in der Bhagavad-Gita gibt es 3 verschiedene Bewußtseinszustände: Den der Klarheit, den der Leidenschaft und den der Tägheit. Man war damals der Meinung, für jeden dieser 3 Bewußtseinszustände müsse die Gesellschaft Aufgaben bereitstellen. Später wurde das Kastensystem erweitert und schließlich erstarrte das System, sodaß sich niemand mehr von einer in die andere Kaste bewegen durfte.
 
Alle anderen Götter, die es gibt, gehen in irgendeiner Form aus diesen drei Grundgottheiten hervor. Einerseits werden diese drei Götter oft mit Ehefrauen dargestellt. Aus diesen Ehen gibt es Kinder, wie zum Beispiel der Elefantengott Ganesh ein Sohn von Shiva und Parvati ist. Zum anderen gibt es viele Wiedergeburten dieser Götter und Göttinnen.
Ihren Höhepunkt hatte die indische Kultur vor ungefähr 5000 Jahren. Das war wohl nicht lange nach der Erfindung von Ackerbau und Viehzucht, also der Einführung der Zivilisation. Und zeitgleich mit der ersten Zivilisation ist meines Erachtens die Notwendigkeit zur Selbstreflexion auf den Plan getreten, die zwar viele Vorteile gebracht hat, aber den Menschen auch aus dem "Paradies" vertrieben hat. Auch die Bibel sieht das so: Er hatte gegessen vom Baum der Erkenntnis, daraufhin fühlte er sich nackt und er wollte sein wie Gott. Die Selbsteinschätzung mit der unvermeidlichen Folge der Unzufriedenheit wird zum Akt der Vertreibung aus dem Paradies.
Krischna wird als die wichtigste Inkarnation Vishnus angesehen. Er soll wirklich gelebt haben, ähnlich wie Jesus, und sein Sterbedatum wird mit 17.2.3302 v. Chr. angegeben. Die Wirrnisse dieser Zeit mit ihren Kriegen und politischen Intriegen werden im Mahabharata geschildert. Die Bhagavad-Gita, in der Krischna das Yoga-System erklärt, ist ein Gedicht aus dem Mahabharata. In Indien vertritt man die Ansicht, daß Krischna in derjenigen Zeit lebte, in der zum ersten Mal im großen Stil das "Böse" über das "Gute" siegte. So ist sein Todestag auch der Beginn des sogenannten Kali-Yugas, eines Zeitalters, in dem die Zustände immer schrecklicher werden. Darüberhinaus vertreten viele Weise und Seher die Auffassung, daß in dieser Zeit dort die Schrift erfunden wurde, und zwar einzig zu dem Zweck, das Wissen um die Möglichkeit zur Rückkehr ins Paradies  zu dokumentieren.
In dieser Hinsicht erheben die vedischen Schriften den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. In Indien nennt man sie die alten Wissenschaften. Tatsächlich enthalten sie Erkenntnisse, die die heutige Wissenschaft erst entdeckt hat, bzw. erst entdecken wird.

Zurück zum Indienteil